Dienstag, 3. April 2012

Eine ungewöhnliche Geschichte

                          Wenn Feinde zu Freunden werden

Ich musste mal wieder meinen Reisepass verlängern. Habe mich also in das Bürgeramt begeben. Ein Bild wie sonst auch. Drei gut genährte Frauen, die den Leuten sagen, wo sie sich anzustellen haben. Hat man was nicht verstanden, wurde man auf ''höfliche'' Art und Weise zurechtgewiesen. Natürlich nur von zweien der drei ''netten'' Damen. Eine der Damen hat nämlich bewegungslos und mit offenem Mund die Wand angestarrt. Ich dachte mir einfach, dass es ein Code unter Beamten sein könnte. Solange ein Kollege den Mund geöffnet hat, wissen die anderen, dass er noch lebt und atmet. 

Ich saß also in der Ecke und schaute mir die Menschen an. Plötzlich wurde ich von der Seite angesprochen. ''Hey Bruder!''. Ich drehte mich um und sah einen jungen Mann, der mich anlächelte. Er bat mich, ihm bei einer Meldebescheinigung zu helfen. Er erzählte mir, dass er die kleinen Buchstaben auf dem Formular nicht erkenne. Sein Augenlicht sei nämlich stark eingeschränkt durch eine Schussverletzung am Kopf. In dem Moment wurde ich auf einmal hell wach und versuchte mir vorzustellen, woher diese denn kommen möge. Vielleicht war er ein arabisches Bandenmitglied und wurde bei einer eskalierenden Schlägerei angeschossen? Ich ließ das weitere nachdenken und half ihm trotzdem das Formular auszufüllen. Ist ja bald Ostern und als guter Christ soll man ja helfen. Nachdem wir beide endlich fertig waren, fragte er mich, ob ich seine Geschichte hören möchte. Er sei nämlich vor Jahren, etwas unfreiwillig, aus dem Libanon geflüchtet. Er, nennen wir ihn mal Ahmed, ist Palästinenser. Ich willigte ein und stellte mich auf noch eine Geschichte über die bösen Juden ein. Es kam jedoch ganz anders. Es fing damit an, dass Ahmed mit 11 Jahren von seiner Mutter zum Brötchen holen geschickt wurde. Sein Vater war zur Zeit Soldat und selten zuhause. Auf dem Weg zum Bäcker hörte er auf einmal das Rattern eines Maschinengewehrs. Er lag am Boden und sah nur noch Araber mit Waffen in der Hand an ihm vorbeirennen. Keiner half ihm. Im nächsten Moment hielt ein Panzerwagen der israelischen Armee. Es stiegen zwei Soldaten aus, rannten zu ihm und nahmen den jungen Ahmed mit in ein israelisches Krankenhaus. 

Danach ließ Ahmed seiner Wut auf die Palästinenser freien Lauf. Er beschimpfte sie als Tiere, die ihre eigenen Leute für ihre Sache opfern. Lustig fand ich den Satz ''Gib einem Araber eine Kalaschnikow in die Hand und er fühlt sich wie Rambo''. 

Da er meinen erstaunten Blick sah, zeigte er mir sofort seine Schussverletzungen. Sowas sieht man normalerweise echt nur in Hollywood-Streifen! Da steckte sogar noch eine Kugel in ihm drin. Die trägt Ahmed nun schon seit fast 15 Jahren mit sich mit. 

Natürlich hat man Ahmed eingeredet, wie böse die Israelis seien und das er sie zu hassen habe. Das änderte sich jedoch, als eine jüdische Krankenschwester sein Krankenzimmer betrat und ihm sein Essen mit einem Pudding als Nachtisch brachte. Die Schwester brachte ihm bis zum Ende seines Aufenthaltes jeden Tag einen Extra-Pudding. Der Hass auf die Israelis verschwand. Ahmed blieb noch etwas in Israel, bis er sich entschied als Staatenloser nach Deutschland zu ziehen. 

Wir entschieden uns noch eine Zigarette zu rauchen, bevor ich an der Reihe war meinen Pass zu verlängern. Draußen fing Ahmed wieder an von Israel zu schwärmen. Er verstehe den Hass auf die Juden nicht. Es sei eine Religionsgemeinschaft wie jede andere. Zudem seien die mit Abstand meisten Israelis sehr freundliche Menschen. Die Zionisten dort fand er natürlich trotzdem nicht gut. Dann schaltete sich eine junge deutsche Studentin ein. Sie stand neben uns und hat sehr genau zugehört. Sie versuchte Ahmed zu erklären, wie viel Leid die Israelis doch über sein Volk brächten. Sie verglich Israel sogar mit Nazi-Deutschland und der Apartheid in Südafrika. Da war dann die gute Laune von Ahmed auf einmal weg. Er fragte sie, ob sie schon einmal in Israel gewesen wäre und woher sie denn diesen ganzen Müll aufgesammelt hätte. Er verdanke nämlich den Israelis sein Leben. Natürlich hat Ahmed sich nicht ganz so höflich ausgedrückt. Wir begaben uns wieder in das Rathaus. Zum Abschluss fragte ich Ahmed, ob ich darüber schreiben dürfe. Er willigte ein. Wir verabschiedeten uns. Jeder ging seines Weges. Interessanter Tag.


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